Die Parteiprogramme unter der Lupe Teil 3

Jetzt geht es weiter mit dem dritten Teil der Artikelreihe über die Parteiprogramme und deren geheime Sprache. Zur Erinnerung ist am Sonntag, 14. Mai 2017 Landtagswahl und am Sonntag, 24. September 2017 Bundestagswahl.

Der Link zum Herunterladen des Grundsatzprogramms befindet sich am Ende je eines Artikels. Die Tabelle ist mit den wichtigsten Parteithemen aufgestellt. Entweder sind die Paragraphen oder die Seitennummer eingetragen.

Notensystem:
+++++ = Sehr gut (4,6 – 5,0)
++++ = Gut (3,6 – 4,5)
+++ = Befriedigend (2,6 – 3,5)
++ = Ausreichend (1,6 – 2,5)
+ = Mangelhaft bis ungenügend (1 – 1,5)

Drittes Teil: FDP Grundsatzprogramm (2012), 118 Seiten, Note: 2,29 Ausreichend bis Befriedigend

Ausländer-/Bürgerrechte (Note: +++)
Im § 52 geht es um die Zuwanderungsgesellschaft und das Zusammenwachsen. Die FDP ist sehr großzügig und fördert die erweiterte Zulassung der doppelten Staatsbürgerschaft für Kinder von Ausländern mit dauerndem Aufenthaltsrecht. Schön und gut, dass die FDP dafür plädiert. Aber inzwischen hat sich das Klima wohl geändert und die FDP ist auch nicht mehr so großzügig.

Das können wir teilweise verstehen, löst aber das Grundproblem des Finanzmangels bei der Flüchtlingskrise überhaupt nicht. Also, das Wort Ausländer kommt nur ein einziges Mal im Grundsatzprogramm vor. Das Wort Bürger und Bürgerrechte kommt sehr oft vor, und das ist sehr zu begrüßen. Auch mit dem Bürgergeld (S. 7) hört sich das Programm der FDP sehr gut an.

Ein mulmiges Gefühl bekomme ich, wenn ich den Satz lese: „In der Tradition des politischen Liberalismus stärken wir die Parlamente“ (S. 10) und so weiter „Dafür investieren wir heute… in eine von Selbstbestimmung geprägte offene Bürgergesellschaft, in die Infrastrukturen und Innovationen der Zukunft und in den Aufbau internationaler Freiheitsordnungen.“ Was verstehen schon die Neoliberalen unter Freiheitsordnungen? Eine Bürgergesellschaft muss durch Selbstbestimmung (Verantwortungs-selbstbewusstsein) an Fortschritt gewinnen.

Dafür plädiere ich auch. Im § 5 geht die Post ein bisschen ab: „Deutschland ist heute ein geachtetes Mitglied der Weltgemeinschaft, ein wichtiger Motor Europas – wir sind eine selbstbewusste und bescheidene, fleißige und offene Nation.“ So bescheiden ist Deutschland nicht! Und auch nie gewesen (Siehe Blogartikel „Eine Zeitreise im globalen Handel“ – https://human-dignity.org/eine-zeitreise-im-globalen-handel). Im § 6 geht es darum, der Staat schlanker zu machen, um einen größeren Platz für Privatisierungen zu aufbauen.

Meinungsfreiheit und Gleichberechtigung (Note: +++)
§ 56: „Die Wahrung und der Schutz von Bürgerrechten, insbesondere der Meinungsfreiheit und des Schutzes privater Daten, ist Aufgabe und Ziel staatlichen Handelns.“ Bei den Liberalen dreht sich fast alles um Bürgerrechte und Freiheit. § 74: „Meinungsfreiheit räumt aber niemals das Recht ein, unwidersprochen zu bleiben. Denunziantentum beschädigt unsere Werte und gefährdet den inneren Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Toleranz findet ihre Grenze im Nicht-Tolerierbaren. Dazu gehören Diskriminierung, Gewalt und Fremdenhass. Sie bedrohen die Freiheit als Ganzes und die Grundlagen des sozialen Friedens.“ Und im § 75 geht es um Meinungsfreiheit in der digitalen Welt. Die FDP punktet bei Meinungsfreiheit und Gleichberechtigung sehr gut.

Bildung (Note: +++)
Es wird wieder vieles über Bildungsfreiheit, Bildungschancen und Bildung als Bürgerrecht erzählt, aber das Schulgebäude sollte nicht alle paar Jahre vollständig umgebaut werden. Man sieht es heute, wie die Schulen aussehen: ein Armutszeugnis für die Bildungschancen (S. 6). Im § 4 steht sogar: „…denn als liberale Gesellschaft streben wir nach gerechten Chancen, Bildung und Teilhabe für alle. So wird sozialer Aufstieg für jeden möglich.“ Es liest sich wirklich zu schön, um in der Realität wahr zu sein. Aber im § 6 geht es um die Bildung für den Einzelnen. Im Klartext heißt das: Privatisierung mit Bertelsmann & Co. Im § 8 bleiben Bildung und Ausbildung als zentrale soziale und wirtschaftliche Fragen zu fördern. Das ist auch sehr zu begrüßen. Im § 21 sieht es schon sehr nach neoliberaler Wachstumsbildung aus und lässt schon ahnen, was die FDP hiermit meint.

Sozial (Note: ++)
An sich bei der FPD steht das Wort „Sozial“ nur in Zusammenhang mit Marktwirtschaft, Liberalismus, Aufstieg… und im § 6 kommt: „Eine Überlastung der Sozialsysteme bedroht die Freiheit und die soziale Marktwirtschaft.“ Also ganz eindeutig eine vollständige Privatisierung der Kranken- und Rentenversicherung. Im § 8 geht es weiter mit: „Der Wandel verändert die Grundlagen unserer sozialen Sicherungssysteme und den Bedarf an Infrastruktur.“ Ja ja, wieder das Märchen mit dem demografischen Wandel, der vom Versicherungslobby vorangetrieben wird. Im § 19 ist sogar die Rede von sozialem Liberalismus. Mir kommt das sehr asozial vor.

Umwelt (Note: +)
§ 2 steht deutlich für mehr Freiheit in Verantwortung für das eigene Leben und gegenüber der Mitwelt, der Umwelt und der Nachwelt. Schön und gut. Aber wer fördert die Fortsetzung der Kohlewirtschaft? Die FDP. Wer will viel später als nötig die Atomkraftwerke abschalten? Die FDP. Später im § 7 kommt es ganz zweideutig vor: „Viele unter uns sind beunruhigt durch Fehlentwicklungen… in Umwelt und Gesellschaft… Doch Zweifel an der Fairness unserer Grundordnung schwächen das Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft.“ Also man kann die Umwelt verschmutzen und daraus wohl Geld machen. Stimmt es? Im § 14 wird das ausgedruckt, was schon im § 2 steht. Und § 23 steht schon wieder voll mit Widersprüchen. Nach dem Motto: Wachstum schont unsere Umwelt. Seit wann denn?

Verteidigung und Sicherheit (Note: ++)
In Frieden, Freude und Eierkuchen, Pardon in Sicherheit sollten wir leben. So steht im § 97 und die FDP setzt sich sogar für eine EU-Außen- und Innensicherheitspolitik mittels einer Sicherheitsstrategie ein. Sie muss genutzt und ausgebaut werden. Also Kanonen und Waffen sollten dort geliefert werden, wo es lukrativ ist und uns am wenigsten weh tut. Freiheit sollte nicht zum jeden Preis veräußert werden. So steht es im § 6: Freiheit zugunsten scheinbarer Sicherheit nicht aufgeben.  Aber eine Rechtssicherheit für ganz wenige, das schafft die FDP im § 32. Und nicht zuletzt im § 57 bedeutet Sicherheit für die FDP, dass Bürgerrechtseingriffe eingeschränkt werden müssen, weil sie eine Gefahr für die Sicherheit bedeuten.

Finanzen und Wirtschaft (Note: ++)
Schon im Vorwort – Seite 4 – zum Grundsatz zieht die FDP eine klare Linie nach dem Motto: „Die Krise verlangt von uns, jetzt einerseits mehr Europa zu wagen und andererseits unsere Staatsfinanzen grundlegend neu zu ordnen.“ Und was versteht dann die FDP unter grundlegend neu zu ordnen? Klar, den öffentlichen Dienst zu privatisieren. Sogar die soziale Marktwirtschaft muss internationalisiert werden, um die Finanzströme – Seite 8 – zu verteidigen. Darunter verstehe ich giftige Freihandelsabkommen. Dann wird selbstverständlich über die nach Links orientierten Parteien gelästert. Dann im § 7 kommt die FDP endlich zum Worte: „Viele von Ihnen sind beunruhigt durch Fehlentwicklungen an den Finanzmärkten, in den öffentlichen Haushalten…“ Wenn ich weiter das Wort „Zweifel“ lese, dann gerate ich selbst im Zweifel über den Zweifel. Es geht uns in Deutschland so gut. Das stimmt für wenige und zweifellos für viele. Wenn 1 % sich 60 % des Kuchens an Privatvermögen teilen, dann müssen wir an den Finanzmärkten noch stärker zweifeln. Im § 8 kommt die FDP mit der unerwarteten Wahrheit aus: „Schlecht regulierte Finanzmärkte drohen die Ersparnisse eines ganzen Arbeitslebens zu vernichten.“ Das wissen wir ja auch schon inzwischen, dass die seit Anfang 1980 eingeführte neoliberale Politik ein gutes Auge auf unsere Ersparnisse hält. Nur einmal mit den Wimpern zücken und schon kommen die Ersparnisse nach oben. Das Wort Wirtschaft kommt sehr oft vor, auch mit Markt zusammen, und immer wieder mit dem Präfix „Soziale“. Wenn die Marktwirtschaft für die FDP „Soziale“ wäre, dann hätte die FDP keinen Existenzgrund mehr.

Zusammenfassung:
Die FDP wäre denkbar, nur, wenn sie den Kuchen besser verteilen würde. Bis jetzt kenne ich keinen Neoliberalen, der bereit ist, mehr zu geben, als er nimmt und braucht. In einem Wort kann man diese Partei eher als eine Bedrohung für unsere Gesellschaft sehen, denn mit einer Gesamtnote (16/35) von 2,29 schafft sie noch nicht mal die 50-Prozent-Hürde, also ausreichend aber wohl ungenügend, um in Bundestag einzusteigen.

Quelle: FDP Grundsatzprogramm

Die Artikelreihe geht weiter und im vierten Teil nehme ich die Grünen auseinander. Es ist wirklich lohnenswert, dranzubleiben. Teil mir deine Ideen und Vorschläge mit, um dich lokal in Köln in der Politik einzumischen. Eine Zusammenfassung der bewegendsten und umsetzbaren Lösungen werden in einem Blogartikel veröffentlicht, selbstverständlich nur mit deiner Genehmigung. Deine Lösungen reichst du hier ein. Vielen Dank.

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