Ist Internet noch frei?

Überall in Europa hat am 23. März eine Demo für ein freies Internet stattgefunden, die zehntausende auf die Straßen gebracht hat. In Deutschland konnte die Demo den größten Zulauf aufweisen. Im europäischen Vergleich kommen oder leben die meisten Internetnutzer in Deutschland.

Aber was hat konkret diesen Artikel 13 (1) in sich? Mit welchen Einschränkungen müssen wir als Internetnutzer zukünftig rechnen? Was bedeutet das für die Sozialnetzwerke und Internetdienste wie YouTube, Facebook, Instagram und Twitter? Und welche Strafmaßnahmen können uns zutreffen? Wurde der Artikel 13 schon inzwischen durch andere Artikelgesetze ergänzt bzw. ersetzt?

Die Fassung von Artikel 13 (2) regelt, dass Internetdienste bald selbst für Urheberrechtsverletzung durch ihre Nutzer haften können. Bis das Gesetz durch alle Instanzen ist, sind die Nutzer jetzt schon unmittelbar haftbar, wenn sie Urheberrechte verletzen. Sobald ein Internetdienstanbieter über diese Rechtsverletzung informiert ist, muss er reagieren und den Inhalt (Content) entfernen (vgl. § 10 Telemediengesetz).

Zukünftig sollen sie in einer Haftung für die Urheberrechtsverletzungen durch Dritte nur noch schwer entgehen können. Die Internetdienstanbieter müssen die besten Anstrengungen unternehmen, um Lizenzen der Rechteinhaber zu erhalten. Diese Regelung soll für alle profitorientierten Plattformen, auch für die kleinsten und jüngsten, gültig sein.

Die Lizenzen sollen dann alle Uploads durch User abdecken, die nicht selbst kommerziell handeln bzw. signifikante Einnahmen durch den Upload erhalten. Wie genau diese Kooperation zwischen Rechteinhabern und Plattformen genau funktionieren soll, darüber schweigt der Text.

Plattformen, die älter als drei Jahre oder mehr als 10 Millionen Euro jährlichen Umsatz erwirtschaften, müssen beste Anstrengungen unternehmen und dafür sorgen, dass nicht lizenzierte Werke, die Rechteinhaber bei den Plattformen eingereicht haben, nicht mehr hoch geladen werden können.

Und genau in diesem Fall trifft der Upload-Filter zu – selbst wenn dies nicht eindeutig im Text steht. Konkret heißt das, alle hochgeladenen Inhalte müssen dann mittels einer riesigen Datenbank abgeglichen werden. Falls es keine Lizenzen bestehen, darf der Inhalt im Internet nicht veröffentlicht werden. Auch bei technischer Fehler mit dem Filter (Datenbankfehler bzw. -inhalt) muss das urheberrechtlich geschützte Material gelöscht werden. Faktisch gibt es nur die Möglichkeit des Upload-Filters einzusetzen.

Inzwischen wurde der Artikel 13 schon durch den Artikel 17 (3) ersetzt bzw. ergänzt. In diesem Artikel geht es überhaupt nicht um einen Upload-Filter, der tatsächlich an keiner Stelle im Gesetzestext erwähnt wird, sondern viel mehr um die Lizenzierung von Inhalten.

D. h. konkret, dass die Internetplattformen Inhalte hochladen können, nur, wenn sie dafür die Lizenz erworben haben. Ist dies nicht der Fall, müssen die von Nutzern/innen hochgeladenen Inhalte gelöscht werden. Ob der Upload-Filter nur lizenzpflichtigen Inhalt herausnehmen wird oder nicht, bleibt fraglich. Bei der Upload-Menge ist es kaum möglich, ein einwandfrei funktionstüchtiger Filter einzusetzen. In diesem Fall unterliegen fast alle Inhalte, die im Internet von Nutzern/innen hochgeladen wird, die Lizenzierung. Selbst ein Kochrezept kann zu einem strafbaren Fall werden. Im Klartext heiß das, dass die Privatkommunikation im Netz stark eingeschränkt wird.

Aber Nachteile können auch für einige sogar viele Vorteile mit sich bringen. Wie ist das mit den Artikeln 13 und 17 geregelt? Und wer kann von diesen Vorteilen profitieren?

Selbstverständlich sind andere Meinungen zum Artikel 13 wichtig. Seit drei Jahren arbeitet die EU an der Reform (4), die u. a. Wikipedia ablehnt. Sogar am 21.03.2019 hat Wikipedia für 24 Stunden seine Dienste versiegt. Am normalen Wochentag registriert Wikipedia rund 33 Millionen Zugriffe. Und das betrifft nur die deutschsprachige Version des Online-Lexikons.

Obwohl die EU-Kommission und der Europäische Rat zugestimmt. Vordergründig geht es darum, wie Künstler/innen, Schriftsteller/innen, Musiker/innen und Videokünstler/innen für ihre Kreationen entlohnt werden. In einem Wort, die korrekte Entlohnung Künstler/innen muss sichergestellt werden. Und dafür kämpft die Abgeordnete Frau Helga Trüpel, weil sie etwas gegen die Macht der Internetkonzerne wie Google oder Facebook unternehmen will. Diese Konzerne verhalten sich regellos und scheuen sich in keinem Fall vor Ausbeutung.

Diese Aussage kann ich nur zustimmen, denn seit der Erfindung von Arpanet (Vorläufer von Internet mit TCP/IP (5) Protokoll) 1969 und dessen Weiterentwicklung zum Internet mittels der HTML-Programmiersprache (6) durch Tim Berners-Lee 1989 hat sich das Netz fast als einen unkontrollierbar gewordenen Wildwuchs entpuppt. Unkontrollierbar hat für Konzerne wie Facebook und Google eine ganz andere Bedeutung, denn diese schämen sich nicht scharenweise die Nutzerdaten und Surfgewohnheiten zu sammeln und zu speichern. Klar, im neoliberalen Klima kennt Gier keine Grenze… auch bei der Urheberrechtsverletzung.

Um über die Runde zu kommen, sehen sich zahlreiche Künstler/innen, egal ob Musiker/innen, Medienkünstler/innen usw. gezwungen, Tätigkeiten auszuüben, die ganz und gar nichts mit ihrer Kreativität zu tun haben.

An die Zeit kann ich mich noch sehr gut erinnern, als man noch im Bibliothek gehen musste, um sich über ein präzises Thema zu informieren. Danach entschied man sich, die zum Thema passenden Bücher in einem Buchladen zu kaufen. Das Gleiche galt für Musik, die man in einem Plattengeschäft erwerben konnte. Ein Teil der Einnahmen floss an Künstler/innen, ein anderer an Verleger oder Produzenten. Geregelt war das im Urheberrecht.

Diese Zeit sind längst vorbei und jeder/e kann an sich urheberrechtlich geschützte Kunstwerke im Internet hochladen, ohne einen Cent dafür zu bezahlen. Und genau dieses Gesetz soll das jetzt ändern, um Künstlern/innen ein Auskommen zu sichern. Heute sind Millionen Menschen im Netz unterwegs und seit sie Filme und Musik streamen, Nachrichten online „konsumieren“ und von ihnen fremde Werke selbst mischen und zusammenstellen, ist es klar, dass das alte Urheberrecht nicht mehr zeitgemäß ist.

Ich selber bin ein guter Amateurfotograf und möchte persönlich nicht, dass die auf meiner Webseite veröffentlichten Werke ohne meine Zustimmung kopiert, modifiziert oder zum kommerziellen Zweck genutzt werden. Das allein schon hat mit Respekt zu tun, den man den „Künstlern/innen“ erwidern soll.

Deshalb bin ich der Meinung, dass dieses Gesetz wohl Vorteile für Künstler/innen bringt. Zurzeit muss YouTube bei Urheberrechtsverletzung erst eingreifen, wenn sie darauf ausdrücklich aufgewiesen werden. Juristen nennen diese Regelung „Providerprivileg“. Wie viel Geld entgeht, der Kreativen ist leider schwer zu beziffern. Ein Beispiel liefert uns der Musiker, Komponist und Produzent Micki Meuser. Von ihm gebe allein auf YouTube 10.000 Clips an denen er Rechte aus Komposition oder Produktion hat, für die er keine Lizenzgebühren bekommt.

Es ist klar, dass Frau Helga Trüpel sich sehr unbeliebt gemacht hat und wird als altmodische analoge Weltwanderin beschimpft. Denn viele Internetnutzer sehen in ihr Vorgehen, das Ende der Internetfreiheit und selbstverständlich eine Bedrohung der Meinungsfreiheit. Was dann, wenn Meinungsfreiheit aus Polemik wie Menschenverachtung, rechtspopulistische Parolen und Rufmord besteht? Dar, muss etwas unternommen werden und genau in diesem Fall ist der Upload-Filter zu befürworten.

Dennoch laut Konzernführung von YouTube ist der Einsatz eines Upload-Filters schwierig, denn dann wird alle Inhalte draußen bleiben. Das stimmt ganz und gar nicht, wenn man diesen Filter genau programmiert und mit künstlicher Intelligenz (Machine Learning) verbindet. Dann wird ein Unterschied zwischen zulässiger Material und unerwünschte Propaganda.

Am 27.03.2019 haben sich 348 Abgeordnete des Europäischen Parlaments für die Reform ausgesprochen, 274 dagegen. Aber bis diese durch alle Instanzen ist, muss das Gesetz von allen Mitgliedstaaten abgesegnet werden. Als möglicher Termin dafür gilt der 9. April. Falls das Gesetz durchkommt, werden Konzerne wie YouTube das Leben schwer haben, Videomaterial kostenfrei zur Verfügung zu stellen.

Wird Internet bald wie ein bezahlbares Modell à la Kabelfernsehen aussehen? Auf alle Fälle muss der Kampf gegen Hasse und Hetze im Netz weitergeführt werden. Darum trifft Artikel 13 bzw. 17 genau auf den Punkt zu. Nicht zuletzt glaube ich nicht, dass eine Gesamtblockade der Meinungsfreiheit stattfinden wird, solange das Material gegen die Menschenrechte und -würde nicht verstößt.

Wie stehen Sie zum Artikel 13 bzw. 17? Warum denken Sie, dass Künstler/innen auch ein Recht auf gute Entlohnung verdient haben? Falls Sie selber ein/e Kreativer/e wäre, wie würden Sie persönlich reagieren, falls Ihr Urheberrecht verletzt wurde? Falls Sie ein Künstler bzw. eine Künstlerin sind, haben Sie schon mit solch einer Verletzung zu tun gehabt? Und was konkret haben Sie unternommen? Wurden Sie gut verteidigt oder nicht ausreichend ernst genommen?

Sehr gerne entnehme ich Ihr Kommentar zu diesem ernsthaften Thema gerne entgegen, entweder im Kommentarbereich oder persönlich per E-Mail. Vielen Dank für Ihre Mitwirkung.

Quellen:
(1) https://www.gesetze-im-internet.de/urhg/BJNR012730965.html
(2) Wilde, Beuger, Solmeke Rechtsanwälte, Artikel 13 beschlossen – was droht und was kann man jetzt noch tun?
(3) t3n.de, die Digital Pioneers. https://t3n.de/news/artikel-17-urheberrecht-uploadfilter-1152419/
(4) Die Zeit, Freiheit“, sagt die eine. „Mehr Regeln“, die andere
(5) Transmission Control Protocol/Internet Protocol
(6) HTML: Hyper Text Markup Language, heute HTML5

Weiterführende Links:
https://savetheinternet.info/
https://saveyourinternet.eu/de/
https://changecopyright.org/de
https://act.openmedia.org/savethelink-call-de
https://digitalcourage.de/blog/2019/uploadfilter-artikel13-und-terreg

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