50 Jahre Widerstand

50 Jahre Widerstand gegen Intoleranz und die hedonistische Selbstgefälligkeit

In der Nacht vom 27. auf den 28. Juni 1969 feierten in der New Yorker Bar „Stonewall Inn“ in der Christopherstreet gleichgeschlechtlich Orientierte (1) die Beerdigung der in der Gemeinschaft verehrten Schauspielerin Judy Garland, als die Polizei die Bar mit einer Razzia überfiel. Zum ersten Mal wehrten sich die angegriffenen Gäste der Bar gewaltsam gegen die willkürliche Polizeigewalt.

Es kam zu den „Stonewall Riots“, zum Stonewall-Aufstand, der fünf Tage lang New York in Atem hielt und das Bewusstsein der Öffentlichkeit nachhaltig änderte (2). Aber wie sah es denn zu diesem Zeitpunkt und sogar davor in Köln für gleichgeschlechtlich Orientierte aus? Bis ein Selbstbewusstsein für Toleranz in der Öffentlichkeit ins Leben gerufen wurde, dauerte es noch zehn Jahre.

Zu diesem Zeitpunkt in Deutschland bis in 1994 standen gleichgeschlechtlich orientierten Beziehungen wegen des § 175 unter Straf (3). Die Ur-Initiatoren und Organisatoren der ersten CSD (damals „Gay Freedom Day“) in Köln heißen Jochen Saurenbach und Michael Zgonjanin.

Die Feier fand im besetzten Stollwerk statt. Emanzipationsgruppen und Demonstrationen veränderten die neue gleichgeschlechtlich orientierte Subkultur der siebzig Jahre das Bewusstsein einer ganzen Generation junger, gleichgeschlechtlich orientierte Männer und Frauen (4).

Kein anderer Ort der siebziger Jahre steht in Deutschland für diese Entwicklung, wie das Pimpernel am Rudolfplatz in Köln. Weltweit bekannt war es die erste Disco für gleichgeschlechtlich orientierte Personen. Dieser Ort wurde sogar zur Gründungsstätte der „Schwulen Sozialdemokraten“ (SchwuSos) (5).

Und wie sieht es heute mit der Akzeptanz und die Toleranz aus? Leben wir in Deutschland in einer Gesellschaft, wo das Leben gleichgeschlechtlicher Orientierten ohne Zwischenfälle abläuft, oder doch noch nicht ganz? Ist Homophobie noch heute aktuell oder ist sie im Gegenteil ganz präsent?

Laut Recherchen vom ZDF (6) registrierte bundesweit das Bundesinnenministerium im ersten Halbjahr 2016 noch 102 Fälle von Homophobie und im ersten Halbjahr 2017 bereits 130 Fälle, darunter 26 Körperverletzungen und 25 Volksverhetzungen. Und in 2018 kletterten die Straftaten auf 313 (7). Diese Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen, denn viele Opfer trauen sich nicht zu, eine Anzeige zu erstatten. Aber, was kann man gegen Homophobie unternehmen?

Tatsache ist, wie der LSVD-Sprecher Markus Ulrich formuliert, dass wir nicht homophob auf die Welt kommen. Wir lernen die Abwertung von gleichgeschlechtlich Orientierten (8) Identitäten erst. Fakt ist, dass Homophobie sich nur mit einer besseren Aufklärung in der Bildung beseitigen lässt. In Deutschland ist das Bildungssystem Landessache und nicht jedes Land investiert genug Zeit und in didaktischen Materialien, um die Jugendlichen einwandfrei über andere Lebensformen zu informieren.

Wie sieht es in 2019 mit Akzeptanz und Toleranz gegenüber gleichgeschlechtlich Orientierte in anderen Ländern weltweit aus? Nur in neun Ländern ist der Schutz sexueller Minderheiten voll und ganz gewährleistet. In vier Ländern (Sudan, Iran, Saudi Arabien und Yemen) wird eine gleichgeschlechtliche Beziehung mit der Todesstrafe sanktioniert. Weiterhin 68 Staaten weltweit kriminalisieren solche Beziehungen (9). In einem Wort: Global sind wir von einer sexuellen Freiheit noch sehr weit entfernt.

Sexuelle Orientierung Rechte weltweit in 2019

50 Jahre danach und wir. Das Motto zum 50. Geburtstag lautet „Viele, Gemeinsam, Stark!“ finde ich persönlich sehr gut. Aber, wie verstehen die gleichgeschlechtlich Orientierten diese Botschaft? Warum hat diese Botschaft heute eine tiefgreifende Bedeutung? Und vor allem, warum wird diese Botschaft nur von einer Minderheit in seiner Gesamtheit interpretiert?

Wenn ich mich die meisten unter den gleichgeschlechtlich Orientierten anschaue, stelle ich eine hedonistische Selbstgefälligkeit fest. Gleichgeschlechtlich orientiert sein, bedeutet für mich weit viel mehr, als nur seine Körperteile während einer Parade zur Schau zu stellen.

Genau das, was ich bei meiner Gruppierung vermisse, ist: politisches Engagement. Klar, es trifft nicht nur auf dieser Gruppierung zu, denn viele sind leider vom Massenkonsum besudelt… auch die gleichgeschlechtlich Orientierten.

Und, wenn ich andere gleichgeschlechtlich Orientierten über das Thema Politik anspreche, werde ich als „kompliziert“ betrachtet. Klar, Politik ist heute sehr komplex geworden. War sie das schon nicht immer mal in der Vergangenheit (9)?

Die freiheitliche Demokratie – in allen Sinnen des Wortbegriffs – ist nicht so mal gegeben, sie muss erkämpft werden. In diesem Zusammenhang können wir vom „Glück“ reden, dass wir in einer ziemlich freien Gesellschaft leben.

Aber, wir müssen stets wachsam bleiben, denn viele, auch in unserer westlichen Gesellschaft, sehen uns als einen „störenden Faktor“. Ich glaube fest daran, dass wir mit mehr Akzeptanz und Toleranz rechnen könnten, ab dem Moment, dass wir unser „Leben“ als gleichgeschlechtlich Orientierte nicht zur Schau stellen würden. Erst dann, können wir mit einem noch besseren und glücklicheren Zusammenleben rechnen.

Quellen:
(1) NDA: ich mag das Wort „Schwul“ überhaupt nicht, denn ich finde es sehr abwertend.
(2) Programmheft Cologne Pride 2019
(3) Als die Diskriminierung per Gesetz endete (https://www.tagesschau.de/inland/abschaffung-paragraf175-stgb-101~_origin-9ba03701-fde4-4f43-9a9a-94003de3716a.html)
(4) NDA: Frauen werden kaum erwähnt.
(5) NDA: Heute ist der Unterschied zwischen „Heteros“ und „gleichgeschlechtlich Orientierte“ kaum noch sichtbar.
(6) ZDF: Gewalt gegen Homosexuelle – ein unterschätztes Problem (https://www.zdf.de/nachrichten/heute/gewalt-gegen-homosexuelle-das-unterschaetzte-problem-100.html)
(7) Frankfuter Rundschau: Mehr Gewalt gegen Schwule und Lesben (https://www.fr.de/politik/mehr-gewalt-gegen-schwule-lesben-11703411.html)
(8) NDA: Ersetzt die Wörter „Schwulen, Lesben, queeren und trangeschlechtliche“
(9) ILGA (https://ilga.org/maps-sexual-orientation-laws)
(10) Siehe Jean-Jacques Rousseau, Le contrat social (Der Gesellschaftsvertrag) – (https://de.wikipedia.org/wiki/Vom_Gesellschaftsvertrag_oder_Prinzipien_des_Staatsrechtes)

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