Die Parteiprogramme unter der Lupe Teil 6

Im sechsten und letzten Teil ist die SPD – schlecht – dran. Ja, wer Wind sät, erntet später Sturm. Zusammen mit den Grünen hat die Elite dieser Partei Deutschland einen (a)sozialen Kahlschlag verpasst. Und seit Mutti an der Macht ist, stimmt die SPD schön brav alles zu. Jetzt kommt der Ritter Schulz aus Brüssel als Retter der letzten Minute an. Einen Ritter, der während seiner Brüsseler Zeit bei der EU-Kommission voll und ganz bei der Deregulierung und Privatisierung der Daseinsvorsorge geholfen hat.

CETA, TTIP, JEFTA und noch viele anderen Handelsabkommen wurden ohne Wenn und Aber durchgewunken. Alles passt zum letzten Grundsatzprogramm: scheinheilig, sozial und stark liberal. Einen wichtigen Termin steht noch bevor: am Sonntag, 24. September ist Bundestagswahl. Der Link zum Herunterladen des Grundsatzprogramms (PDF) befindet am Ende je eines Artikels. Ich habe die Tabelle mit den wichtigsten entscheidenden Themen aufgestellt, die für eine demokratische Wahl unentbehrlich sind. Alle Nummer führen zu den passenden Paragrafen im jeweiligen Grundsatzprogramm. Bei Seitennummerierung allein sind die Seitennummer nach einem „S.“ eingetragen.

Notensystem:
+++++ = Sehr gut (4,6 – 5,0)
++++ = Gut (3,6 – 4,5)
+++ = Befriedigend (2,6 – 3,5)
++ = Ausreichend (1,6 – 2,5)
+ = Mangelhaft bis ungenügend (1 – 1,5)

Sechstes und letztes Teil: SPD Grundsatzprogramm (2007), 79 Seiten, Note: 1,86 Ausreichend

Ausländer-/Bürgerrechte (Note: +++)
Bei der SPD fängt es schon sehr schlecht an. Mit dem Begriff „Ausländerrecht“ lässt sich im Grundsatzprogramm nichts finden. Mit „Bürgerrecht“ kommt auf S. 14: „Und was uns eint, ist die historische Erfahrung, dass sozialdemokratische Politik nur erfolgreich sein kann, wenn sie verbunden ist mit dem demokratischen Engagement der Menschen in den Gewerkschaften, den Friedens-, Frauen-, Umwelt-, Bürgerrechts-, Eine-Welt- und globalisierungskritischen Bewegungen und Netzwerken.“ Also, wenn ich richtig lese, verstehe ich nicht, warum die SPD sich heute von diesem Grundsatz ganz entfernt hat!? Und weiterhin auf S. 15 „Die Menschen- und Bürgerrechte legen der Politik und den staatlichen Institutionen Grenzen auf, ohne die es keine Demokratie geben kann.“ Und heute, mit der SPD, was ist aus der Demokratie geworden? Ein privates Grundstück für Spekulanten. Auf S. 28 geht es aufs Ganze mit „…vor allem Mitbestimmung, durch den auf Bürgerrechte gestützten vorsorgenden Sozialstaat und durch eine koordinierte Marktwirtschaft.“ Es liest sich im Grundsatzprogramm sehr schön an, bleibt leider der Realität weit entfernt.

Meinungsfreiheit und Gleichberechtigung (Note: ++)
Auch bleibt das Wort „Meinungsfreiheit“ aus dem Grundsatzprogramm gestrichen. Mit  „Gleichberechtigung“ kommt auf S. 4: „Für die Gleichberechtigung und Selbstbestimmung aller Menschen – unabhängig von Herkunft und Geschlecht, frei von Armut, Ausbeutung und Angst.“ Drei Begriffe müssen bedauerlicherweise verschwinden, weil viele seit Hartz IV nicht mehr frei von Armut sind und die Ängste vor der Ausbeutung hören nicht mehr auf. Und auf S. 5 wird die Gleichberechtigung von Frauen und Männern angesprochen. Das war’s für die Gleichberechtigung bei der SPD. In jedem Fall bleibe ich auf meinem Hunger sitzen. Deshalb eine passende Note.

Bildung (Note: ++)
Mit dem Satz auf S. 6 „Wir wollen ein gesundes Leben und gute Bildung für alle.“ fängt es gut an. Auch auf S. 10 finde ich den Ansatz sehr gut „Die Lebenserwartung in Deutschland steigt. Das ist ein großes Geschenk: Länger leben zu können, bedeutet mehr Zeit für Aktivität, Bildung und Genüsse, die lange zurückstehen mussten.“ Wenn man sich bis zum 70. Geburtstag kaputt arbeiten muss, dann wird sehr wenig Zeit für Bildung und Genüsse übrig bleiben. Im Rahmen des Begriffs „Gerechtigkeit“ geht die SPD auf S. 15 sehr weit: „Also meint Gerechtigkeit gleiche Teilhabe an Bildung,…“ Und ganz bestimmt vielen Dank an Bertelsmann vergessen zu sagen, der in Deutschland gute Bildung privatisieren will. Mir wird es jetzt schon schlecht.

Sozial (Note: ++)
Schon im Präambel auf S. 3 geht es los mit: „…dass die SPD den Dialog sucht und organisiert, dass wir über die Zukunft der Sozialdemokratie nicht von oben herab, sondern aus der Mitte der Gesellschaft heraus diskutieren.“ Mir kommen die Tränen. Und auf S. 4: „Die Werte und Ziele der Sozialdemokratie finden heute große Zustimmung in unserer Gesellschaft.“ Man kann stets mit sich selber höchst zufrieden sein. Auf S. 5 kommt dann die große Perle: „Das soziale Europa muss unsere Antwort auf die Globalisierung werden.“ Seit wann ist Europa, wie wir es heute kennen, sozial? Ich rate die SPD an, sich erstens gründlich mit der Begrifflichkeit des Wortes „Sozial“ zu befassen, und dann können wir wahrscheinlich wieder zusammen reden.

Umwelt (Note: ++)
Und auf S. 13 geht es schon los mit: „Und was uns eint, ist die historische Erfahrung, dass sozialdemokratische Politik nur erfolgreich sein kann, wenn sie verbunden ist mit dem demokratischen Engagement der Menschen in den Gewerkschaften, den Friedens-, Frauen-, Umwelt-, Bürgerrechts-, Eine-Welt- und globalisierungskritischen Bewegungen
und Netzwerken.“ Falls die SPD sich stark für eine saubere Umweltpolitik engagieren wollte, dann würde sich die Partei auch stark gegen Glyphosat einsetzen. Auf S. 17 taucht das Wort „Umwelt“ erneut schön verpackt auf, sagt aber nichts über konkrete Lösungen, die unsere Umwelt besser gegen Verschmutzung schützen kann. Auf S. 22 mit dem Vorschlag eines globalen Rats der Vereinten Nationen für Umweltpolitik. Die Vereinten Nationen haben keine exekutive Rechtsprechung. Sie kann nur Resolutionen und Lösungen vorschlagen, die keinem in dieser Welt zu etwas Konkretes verpflichtet. Das Thema Umwelt ist bei der SPD wie dicke Luft: Mit Vorsicht zu genießen.

Verteidigung und Sicherheit (Note: ++)
Wenn ich das Kapitel „Friedensmacht Europa“ auf S. 29 ff. S. 30 lese, stelle ich fest, dass jedes Mal Waffenlieferungen aus Deutschland in Ländern wie z. B. Saudi-Arabien und Israel in keinem Fall zu einer Friedenspolitik hinführt. Diese Lieferungen wurden von der SPD zugestimmt. Auch das Streben nach einer engen Zusammenarbeit mit der NATO bleibt selbstverständlich bestehen. Zum Thema Sicherheit auf S. 5 klingen die Wörter „Sicherheit, Verantwortung, Solidarität und Partnerschaft“ sehr schön in meinen Ohren, bleiben bei dieser Partei unerhört, weil sie sonst das Überleben der Menschheit und des Planeten nicht nur als hohle Wahlversprechung verstehen würde. Das Wort Sicherheit kommt sehr oft vor, dass ich mich die Frage stelle, ob die SPD die wahren Werte dieses Wortes versteht.

Finanzen und Wirtschaft (Note: +)
Mir wird wirklich ganz schlecht, wenn ich auf S. 32 lese, dass die Privatisierung öffentlicher Aufgaben und Daseinsvorsorge nicht den Renditeerwägungen ausgesetzt werden sollten. Das genau ist mit der Agenda 2010 von Herrn Gerhard Schröder passiert und wird von Herrn Dr. Wolfgang Schäuble weitergeführt. Wieder auf S. 6 glaube ich ein Märchen zu lesen: „Wir arbeiten für nachhaltigen Fortschritt, der wirtschaftliche Dynamik, soziale Gerechtigkeit und ökologische Vernunft vereint. Durch qualitatives Wachstum wollen wir Armut und Ausbeutung überwinden, Wohlstand…“ Ja, die Reichen sind arme Leuten. Und es geht weiter auf S. 7 mit der Feststellung, dass globales Kapitalismus und entfesselte Finanzmärkte Spekulation und Erwartungen hervorbringen, die gegen einer langfristig ausgerichteten Wirtschaftsweise steht. Um nicht ganz abzustürzen, musste ich mich an meinem Stuhl ganz hart festhalten.

Zusammenfassung:
Mit einer sehr wohl verdienten Note von 1,86 (ausreichend) kann sich die SPD nicht mehr sehen lassen. Diese Partei tritt als Vasallen der Union auf, hat auch diesen Auftritt zu verantworten, denn die SPD ist im Laufe der letzten 17 Jahren einen wahren und trauen Freund des Neoliberalismus geworden. Die SPD braucht sich dann nicht mehr zu wundern, dass die Wählerschaft sich umorientieren muss. Leider ist es zu bedauern, dass diese Umorientierung ganz nach rechts geht oder sogar zur Wahlverweigerung hinführt. Ob die Sozialdemokraten noch zu retten sind, glaube ich kaum. Eine Rettung braucht mehr als hohle Wörter, sie braucht Taten.

Quelle: SPD Grundsatzprogramm

Allgemeine Zusammenfassung:

Ich hoffe sehr, dass dir diese Artikelreihe gefallen hat. Was kann man aus der politischen Landschaft Deutschlands lernen? Die oppositionellen Parteien müssen weniger mit sich selber beschäftigt sein – das trifft insbesondere auf die Linke zu – und mehr auf den Bürgern/innen zugehen. Die klassischen Parteien CDU, FDP und SPD müssen unbedingt die Lektionen aus der seit Anfang der 80er Jahren eingeführten Austeritätspolitik ziehen, die die Wählerschaft nach rechts getrieben hat.

Wie eine Prostituierte kuscheln die Grünen ganz liebevoll mit allen Parteien, die ihnen Frieden, Freude und einen goldenen Eierkuchen servieren. Die Erfahrung mit dem Team Schröder/Fischer haben wir schon gemacht. Die Gefahr, die Geschichte zu wiederholen, kann nur mittels einer Renaissance eines starken Interesses der Bürger und Bürgerinnen für die Politik verbannt werden. Es ist auch die Aufgabe aller Parteien, die komplexen Systeme unserer Gesellschaft mit einer klaren und für jeden verständlich Ansage aufzuklären. Ja, es ist fünf vor zwölf. Warten wir bitte nicht mehr bis es zu spät ist, sondern es ist mehr denn je unsere Verantwortung mehr Selbstbewusstsein für eine partizipative Gesellschaft zu nehmen.

Gerne deine Meinungen, Ideen und konstruktive Vorschlägen wie für dich eine partizipative Gesellschaft aussieht.

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